Kein Tier lebt ewig. Das wussten wir von Anfang an, auch wenn sie das Urteil Lebenslänglich haben. Abschiednehmen gehört leider auf einem Lebenshof auch dazu, auch wenn man den Zeitpunkt nicht selbst bestimmt wie in der Nutztierhaltung. Nun stehen wir vor einer schweren Entscheidung. Doch fangen wir von vorne an.
Mona ist sieben Jahre alt und die Tochter von Pünktchen. Weder Mutter noch Tochter gehören zu den Kuschelkühen, aber das ist okay so. Sie beobachten lieber aus sicherer Entfernung. Letzten Winter fiel uns schon auf, dass Mona eine eigene Art hat, zu stehen. Die Haltung der Hinterbeine erinnert eher an ein Pferd – ein Bein ist öfters ruhend gestellt. Wir wussten, sie steht anders, aber ansonsten war nichts auffällig. Auf der Alm im Sommer war sie gerne eine, die zurückblieb, aber sie kam in ihrem Tempo immer gut mit der Herde mit. Sie brauche halt ein bisschen länger. Auch das taten wir als ihre Eigenheit ab, da ansonsten nichts auffällig war.
Jetzt im Herbst kam es schon öfters vor, dass eine Kuh nach ihrer stierigen Phase bzw. der stierigen Phase einer anderen Kuh mal hinkte. So eine Hupferei bei den großen schweren Kühen ist ja nicht ohne. Da kann leider schnell was passieren, doch bisher waren es nur Zerrungen oder Verstauchungen, die nach ein paar Tagen wieder besser wurden. Auch Mona begann, an einem Vorderbein zu hinken, und lag in letzter Zeit gerne alleine im Stall, während die anderen auf der Weide waren. Da ihre Art zu stehen nun auch auffälliger wurde und sie am Stand quasi mit den Hinterbeinen “tänzelte”, beschlossen wir, sie nun mal genau anschauen zu lassen. So ganz rund war Mona nämlich nicht mehr, von unserem Gefühl her.
Wir wollten zuerst ihre Klauen anschauen lassen, um diese ausschließen zu können. Da sie sich jedoch weigerte, in den Klauenstand zu gehen, und immer gestresster wurde, beschlossen wir, das abzubrechen und gleich den Tierarzt zu holen, der sie notfalls sedieren sollte. Zwanzig Minuten später war er da, und die Diagnose folgte sofort. Mona leidet an einer sogenannten “Stuhlbeinigkeit”. Das ist eine Erbkrankheit, die sich Spastische Parese nennt. “Ein- oder beidseitige unvollständige straffe Lähmung der Nachhand, die mit einer starken Streckung des Sprunggelenkes einhergeht.” Grob gesagt, ihre Hinterbeine sind zu gerade und nicht leicht gewinkelt, wie es bei einem gesunden Rind wäre. Wäre sie eine Zuchtkuh oder ein Bulle, müsste die Zucht sofort gestoppt werden, da diese Krankheit sonst vererbt wird. Eine Heilung ist nicht möglich. Der Tierarzt erklärte uns, dass diese Krankheit/Fehlstellung schon von Anfang an da war, sich aber erst mit der Zeit mit dem Gewicht und mit jeder Trächtigkeit verschlimmert. Er hat uns nahe gelegt, sie weiterhin gut zu beobachten und notfalls eine Erlösung in Betracht ziehen, wenn die Schmerzen zu stark werden. Schmerzmittel wären nur eine kurzfristige Lösung zur Überbrückung von ein paar Tagen, doch keine dauerhafte Lösung.
Das es so schlimm sein würde, damit rechneten wir nicht. Wir brauchten jetzt ein wenig, um das sacken zu lassen. Dann beschlossen wir, Mona leben zu lassen, so lange sie sich noch bewegt und frisst und wir das Gefühl haben, dass es ihr gut geht. Im Liegen dürfte es von der Schmerzen her besser gehen, als im Stehen. Da kommt der Laufstall mit dem Stroh sehr zugute, denn sie kann sich momentan frei bewegen – Stall, Weide, Strohliegebereich. Wenn die Zeit kommt, dass es für sie eine Qual wird, müssen wir sie wohl erlösen. Wir hoffen, wir wissen, wann der Zeitpunkt kommen wird. Der Tierarzt meinte, sie kann auch noch über den Winter kommen, es kann aber auch sein, dass sie plötzlich “festliegt” und vor Schmerzen gar nicht mehr auf kann.
Auch wenn Mona keine Kuschelkuh ist und sie nicht die Aufmerksamkeit bekommt, wie andere “präsentere” Rinder, so ist sie doch eine unserer Lebenslänglichen. Sie ist eine Kuh mit Geschichte, mit Persönlichkeit, mit einem besonderen Leben. Und sie ist Teil von etwas ganz Großartigem, denn unsere Lebenslänglichen bewegen die Herzen, regen zum Nachdenken an und hinterlassen Eindruck. Mona ist ein Teil davon. Ob hier oder “drüben”.